2.3.2013: Niner "Air 9 RDO" mit Niner "Carbon Fork RDO" und SRAM XX1. Fahrfertig ca. 8,5 kg. Hier noch ganz sauber vor der ersten Ausfahrt und ohne Tacho/Flaschenhalter.
Sieht es nicht schick aus? Noch ganz sauber vor der ersten Gelände-Ausfahrt und noch ohne Flaschenhalter und Tacho. Das "Niner-Green" ist mal ein echter Farbtupfer. Die eigentliche Innovation ist aber neben dem Rahmenset mit der eleganten Starrgabel die ganz neu auf den Markt gekommene XX1-Gruppe von SRAM. Über die muss ich ein paar Worte verlieren. Brauchte ich doch schon seit jeher in Berlin/Brandenburg kein 3-fach-Blatt, so wäre 1-fach doch immer etwas auf der knappen Seite gewesen, was den Umfang der Schaltung betrifft. Mit den 10-fachen 11-36er-Kassetten hätte letztlich schon eine Chance bestanden, und im Rennbetrieb wurde dies auch gesichtet. Bei Olympia in London im Sommer 2012 waren aber erstmals Fahrer mit einem neuen Prototyp von SRAM unterwegs – der zukünftigen XX1.
Vom Namen her ist "XX1" offenbar eine Variante der "XX", also der Edelgruppe von SRAM, die vom Anspruch der XTR von Shimano entspricht. Das Konzept umfasst ein paar Neuerungen, die es so bisher noch nicht gab, und die sich vermutlich nur mit einem Kettenblatt realisieren lassen. Die spontane Faszination besteht bei der XX1 darin, dass man auf den lästigen vorderen Umwerfer verzichten kann, trotzdem keine Kettenführung braucht und nur ungefähr das halbe Gewicht am Rad hat wie bei einer Rohloff-Nabe. Danach hatte ich schon immer gesucht, diese Schaltung musste es sein. Dass daraus auch insgesamt ein Leichtbauprojekt wurde, lag daran, dass das mittlerweile 22 Jahre alte Cannondale-MTB ersetzt werden sollte.
Dass es ein "Niner" wurde, liegt hauptsächlich an der schicken Starrgabel, die passend zum Rahmen angeboten wird. Das "Air 9 RDO"-Rahmenset ist damit wie aus einem Guss. Die nicht vorhandene Federgabel wird weitgehend ausgeglichen durch dickere 57er Reifen, die 29er Laufräder und die höhere vertikale Flexibilität von Rahmen und Sattelstütze. Für den nicht allzu harten Cross-Country-Betrieb reicht der Federweg jedenfalls völlig aus. Das Rad ist trotz der dicken Reifen leicht wie ein Cross-Renner. Die Waage zeigt fahrfertig mit Vollausstattung 8,5 kg. Über die finanzielle Seite möchte ich an dieser Stelle den Mantel des Schweigens breiten...
Nach einigen Ausfahrten mit anderem Sattel und gekürztem Gabelschaft.
Nach einigen Ausfahrten kann ich folgende Dinge zu Protokoll geben:
Ritzelpaket Die Kassette ist 11-fach mit 10-42 Zähnen, kein Schreibfehler. Filigran aus einem Stück Stahl gefräst, das große 42er Ritzel ist aus Alu. Damit ist der Umfang der Schaltung mehr als ausreichend in mittlerem Gelände. Die Gangsprünge sind OK. Das 32er Blatt ist im Gelände eine gute Wahl. Meist bleibt nach oben und unten jeweils ein Gang ungenutzt.
Kettenführung Man braucht tatsächlich keine. Selbst im rütteligen Gelände fällt die Kette nicht vom Blatt. Dies liegt wohl an den besonderen Zähnen des Kettenblatts: Diese sind abwechselnd schmal und breit, so dass sie exakt in die Kette passen. Außerdem sind die Zähne länger als üblich. Die Kette kann daher nicht seitlich vom Kettenblatt laufen.
Schaltwerk Beim Schaltwerk sind Schaltvorgang und Längenausgleich völlig entkoppelt. Das Parallelogramm dient nur dem Schaltvorgang und bewegt sich ausschließlich seitwärts. Der Ausleger mit den beiden Schaltröllchen übernimmt allein den Längenausgleich. Das obere Röllchen sitzt nicht wie üblich im Drehpunkt sondern exzentrisch, so dass es beim Drehen ums Gelenk seine Höhe verändert. Dieser Ansatz dürfte nur mit einem Kettenblatt sauber funktionieren – das genau ist ja der Sinn der Sache.
Freilauf Mit der XX1 wurde ein neuer Freilaufkörper eingeführt. Klingt gewagt, macht aber Sinn. Erstens sind 10 Zähne als kleinstes Ritzel möglich, vor allem aber sitzt die Kassette völlig spielfrei auf der Nabe. Das ist meiner Erfahrung nach neu und sollte die Schaltpräzision erhöhen. Mittlerweile bieten etliche Nabenhersteller Austausch-Kassettenkörper an. Shimano gehört natürlich nicht dazu...
Kettenschlagen gibt's praktisch nicht. Durch die hohe Federspannung des Schaltwerks und durch die Entkoppelung wippt die Kette außergewöhnlich wenig. Sie schlägt praktisch nie auf die Kettenstrebe und springt auch nicht seitlich, weil das Parallelogramm auf Zug nicht reagiert.
Einfachheit ist das Schlagwort: Kein Umwerfer, keine Kettenführung, kein zweiter Schalthebel samt Zügen. Das spart Gewicht und räumt den Lenker auf.
Reifendruck: Bei 70 kg Fahrergewicht und 57er Reifen scheinen ca. 1,8 bar ein guter Kompromiss zu sein zwischen Federkomfort und Durchschlagsicherheit. Vorne sind auch 1,5 bar noch genug, allerdings ist dann beim Rauffahren von kleinen Treppen mit Durchschlag zu rechnen. Mehr als 2 bar machen keinen Sinn, sondern nur hart.
Schalthebel: Das ist das einzige, was ich nicht optimal finde. Die Shimano-Schalter mit je einem Hebel für Daumen und Zeigefinger sind einfach besser zu bedienen. Sram hat vermutlich aus patentrechtlichen Gründen zwei Daumenhebel, so dass man den Daumen ständig umsetzen muss. Außerdem kommt man bei viel Gerüttel gerne mit dem Daumen an den hinteren Hebel und schaltet dann unbeabsichtigt in längere Gänge. Vielleicht hätte der Drehschalter doch seinen Charme.
Bilanz nach knapp einem Jahr Einsatz und 1.200 km: Es funktioniert wie am ersten Tag. Und zwar sehr gut, ich bin immer noch begeistert. Kein einziger Kettenabwurf. Keinen Gedanken mehr auf vordere Kettenblätter verschwenden. Man hat mit diesem Setup einfach komplett den Kopf frei für andere Dinge. An den Schalthebel gewöhnt man sich nach einer Weile.
Nach gut 2 Jahren und ca. 2.500 Kilometern hat es bisher keine Defekte gegeben. Immer noch kein Kettenabwurf. Die Zähne des Kettenblatts sehen auf der Kraftseite bereits ein wenig abegnutzt aus, aber die Kettenlehre sagt, dass immer noch alles gut ist. Die original verbauten organischen Bremsbeläge habe ich wegen der Geräuschentwicklung beim Bremsen gegen metallisch gebundene getauscht. Diese musste ich trotz Zurückdrücken der Bremszangen ein wenig anschleifen, um sie reinzubekommen. Jedenfalls sind sie leiser und ziehen gut.
Nach gut 3.300 Kilometern zeigt die Schaltung noch keine Schwächen. Den größten sichtbaren Verschleiß zeigt das Ketttenblatt, dessen Zähne bereits ein wenig ausgehöhlt sind. Bei einem heftigen Sturz (Fahrfehler: in eine Rinne eingespurt, Vorderrad quergeschlagen, Überschlag) hat sich die Vorderradfelge zu einem Kartoffelchip verformt. Mit Hilfe einer kleinen Bodenwelle, zwei Ästen und dem Gewicht zweier Leute, konnte ich das Vorderrad wieder so weit zurückbiegen, dass es durch die Gabel passte. Dank Scheibenbremse war alles erstaunlicherweise wieder gut fahrbar trotz bleibendem Seitenschlag. Citec lieferte eine neue Felge, neue Nippel, den notwendigen Sechskantschlüssel für die versenkten Nippel und einen Speichenhalter (gegen Verdrehen beim Zentrieren). Damit konnte ich das Vorderrad wieder in den Originalzustand versetzen. Die blauen Flecken sind mittlerweile auch weg...
Im März 2016 war wegen schlampig eingestellter Schaltung (Innenanschlag des Schaltwerks) die Kette zwischen Speichen und Ritzel geraten, hatte einige Speichen beschädigt und eine Powerblock-Befestigung in der Nabe gebrochen. Das Rad fuhr noch, und das hätte man im Sommer in aller Ruhe zu Citec schicken können (um die Powerblock-Hülse rauszupopeln und zu ersetzen). Aber wie es so geht – plötzlich war wieder Herbst und das Rad wurde gebraucht. Im Dezember riss dann die betreffende Speiche. Das Hinterrad musste jetzt doch zu Citec, was eine Weile dauerte. Deshalb habe ich ein zweites Hinterrad aufgebaut mit DT240-Nabe und asymmetrischer DT XR-361 Felge. Gute Technik, leicht, optisch konventioneller als Citec, aber funktioniert natürlich reibungslos. Die Maulweite ist etwas größer, was sicher nicht falsch ist, und die Asymmetrie sorgt für gleichmäßigere Speichenspannung links und rechts. Der Reifen rutscht extrem passgenau in die Felgenhörner, so könnte tubeless tatsächlich funktionieren.
Nach ca. 4.500 Kilometern und 4,5 Jahren im Gelände funktioniert die Schaltung noch gut, aber das Kettenblatt und die Ritzel sind deutlich abgenutzt, die Kette gelängt, wenn auch überraschend wenig. Die Zähne des Kettenblatts sind teils schmal und messerscharf geworden. Das Kurbel-Innenlager gab schon länger knackende Geräusche von sich und lief nicht mehr sauber. Daher wurden Kettenblatt, Cassette, Kette und Innenlager ausgetauscht, außerdem die Handgriffe. Die Kurbel ließ sich nicht ohne weiteres abziehen, da mussten 2 Mann im Radladen mit viel Kraft ran, immerhin ging es ohne Schaden ab. Aus dem Innenlager rieselte Sand. Bei der Gelegenheit wurde das originale Citec-Hinterrad wieder eingebaut.
Im Schaltwerk hatte sich Anfang 2018 ein Ast verklemmt, der den äußeren Teil der Schwinge teilweise aufgesprengt hat, ganz blöder Zufall. Dieses Teil ist leider nicht austauschbar, aber etwas festes Klebeband sorgte dafür, dass das Schaltwerk erstmal weiter seinen Dienst verrichten konnte. Das war aber keine dauerhafte Lösung, deshalb musste jetzt doch ein ganz neues Schaltwerk her (teurer Spaß), bei der Gelegenheit Vorbau und Lenker erneuert (die waren noch vom alten Cannondale) und wiederum das Innenlager, das schon wieder wackelte, das ist wohl eine Schwachstelle. Die Bremssättel sind in ein oder zwei Jahren auch dran, die sind nur noch bedingt einstellbar wegen Dreck und Verschleiß.
Komplettierter Laufradsatz (neues Vorderrad) mit DT240-Naben und DT-Felgen XR391/XR361 und Umbau auf tubeless. Neue Reifen Schwalbe Racing Ray und Ralph in 60 mm statt 57 mm. Diese sind etwas schwerer, aber auch großvolumiger und federn daher besser. Vorn kann jetzt 1,0 bar gefahren werden, hinten ein paar Zehntel mehr. Das Rad wiegt jetzt fahrfertig ca. 9,0 kg.
In der Praxis ist das mit tubeless so eine Sache, dazu vielleicht später mal mehr Details. Nicht jedes Loch an jeder Stelle wird wirklich abgedichtet, und auch am Felgenbett können Undichtigkeiten entstehen.
Nach gut 5 weiteren Jahren waren wiederum Kette, Kettenblatt und Kassette fällig. Die Zähne am Kettenblatt waren rund und ausgehöhlt. Die Ritzel sahen noch nicht so dramatisch aus, aber die neue Kette lief nicht mehr auf den kleinsten Ritzeln ohne zu springen. Da es gerade eine schwarze X01-Kassette (halbwegs) preiswert gab, kam diese drauf, die ist mit XX1 identisch bis auf das schwarze Finish. Kettenblätter sind schon schwieriger zu bekommen: Von Sram selbst gibt es keine XX1-Blätter mit dem 76er Lochkreis mehr, nur noch Direct-Mount. Die müssten an diesem Rahmen 0 mm Offset haben, die gibt's aber auch nicht mehr. Dafür stellt Stronglight sehr schöne Austauschblätter her. Dies ist die Variante mit Keramik-Beschichtung – mal sehen, ob das dadurch wirklich länger durchhält. Das Knacken beim Reintreten kam tatsächlich vom alten Kettenblatt, das ist jetzt weg (und das Tretlager sauber eingestellt).
Jetzt war erstmals die hintere Bremsscheibe fällig, dazu alle Bremsbeläge ausgetauscht und auch hinten neu befüllt und entlüftet (eigentlich ist es nicht so schwierig). Mal sehen, ob die mit "quiet" bezeichneten organischen Beläge ihr Versprechen halten.