Gelände-Training mit dem Tandem hat seinen ganz eigenen Reiz. Es gibt eigentlich keinen Grund, der dagegen spricht, vorausgesetzt man hat ein geländetaugliches Tandem. Federung hilft definitv, am besten eine Vollfederung. Während eine Federgabel auch am Solobike ein Muss ist, spielt beim Tandem auch die hintere Federung eine wichtige Rolle. Es macht einfach mehr Spaß, wenn der Stoker nicht so durchgerüttelt wird. Am Hardtail sollte hinten wenigstens eine gefederte Sattelstütze dran sein. Und überhaupt: Man glaubt gar nicht, was man alles fahren kann, wenn man es noch nicht probiert hat. Generell muss man mit dem Tandem im Gelände noch vorausschauender fahren als sonst. Enge Kurven müssen voll ausgenutzt und in einer möglichst fließenden Bewegung angesteuert werden. Das Zusammenspiel zwischen Captain und Stoker spielt dabei eine sehr große Rolle. Blindes Vertrauen und gute nonverbale Kommunikation sind unerlässlich. Aber keine Sorge – all das kann man lernen. Wir sind gerade dabei. Hier sind ein paar Eindrücke aus unserer noch jungen Karriere in den Berliner Wäldern ergänzt um die Kommentare von Leuten, die schon mehr können. |
Foto: A. Dierig |
Vorsicht bei engen Trails zwischen Bäumen. Das Heck folgt auf einem viel engeren Bogen als beim Solobike und außerdem kommt da noch ein zweiter Lenker, der gerne mal hängenbleibt. Die Kurven auf solchen Strecken müssen voll ausgesteuert werden, wenn man eine Chance haben will, an der Horde mit den Solobikes dranzubleiben.
Auf schwierigem Untergrund (Wurzeln etc.) hilft meist, das Tempo nicht zu niedrig zu wählen (Schwung stabilisiert, da kann so eine kleine Wurzel gar nicht gegen an), insbesondere Vorderrad-Bremse lösen und den Lenker gut festhalten. Im Zweifelsfall immer gemäß dem Motto: Grob die Richtung vorwählen und dann drauf zu! Der einzige schwere Fehler, den man machen kann, ist wenn man auf heftige Lenkerausschläge nicht genug Gegendruck bringt, denn wenn der Lenker umklappt, ist zumeist eine Delle im Rahmen (Doppelbrückengabel), das Vorderrad hinüber und die Trikots dreckig.
Dank Klickpedalen ist Springen auch mit dem Tandem möglich. Leider ist aber ein echter Bunny-Hopp, bei dem erst das Vorderrad und dann das ganze Bike in die Luft befördert wird, nicht möglich (oder?). Aber ein kleiner Schweine-Hopp, bei dem beide Fahrer beide Räder gleichzeitig hochreißen, ist schon drin. Durch den großen Radstand braucht man recht lange zum fliegenden Überqueren von Hindernissen. Das bedeutet, dass ein Überspringen von dickeren Baumstämmen oder hohen Bordsteinkanten aus voller Fahrt kaum möglich ist. Eine vorzeitige Landung hätte einen üblen Crash zur Folge. Man kann nur versuchen, langsam drüberzufahren und dabei erst das Vorderrad und dann das Hinterrad zu entlasten. Dabei sind zwei Dinge von Vorteil: viel Federweg und große Tretlagerhöhe. Im Zweifel erstmal zu Fuß erkunden und dann fahren, statt den Baumstamm mit dem Kettenblatt durchzusägen. Schon vorhandene Sägespuren deuten auf vergebliche Versuche anderer hin.
Wenn man doch absteigen muss, kann man mit einer tandemspezifischen Taktik viel Zeit sparen. Vorschlag: Etwas früher anbremsen als solo. Erst springt der Stoker vom fahrenden Rad (und geht sofort außer Reichweite), dann der Captain. Der Stoker läuft über das Hindernis, während der Captain das Tandem rüberträgt. Der Captain schwingt sich wieder aufs Rad (Aufspringen ist schwierig wegen des Stoker-Lenkers) und beschleunigt auf langsames Jogging-Tempo. Der Stoker kann nun in Cross-Manier aufspringen. Wenn er das noch nicht beherrscht, kann der Captain den Aufstieg vereinfachen, indem er rollt und dabei das linke Pedal unten hält, auf das der Stoker aufspringt und sich dann in den Sattel schwingt. Ein fahrendes Tandem ist sehr stabil, der Stoker muss sich also um die Balance keine Sorgen machen.
An steilen Anstiegen verliert man schneller die Traktion als am Solobike. Es hilft, bewusst rund zu treten. Das ist zwar anstrengend, kappt aber die Drehmomentspitzen, die zum Durchdrehen des Hinterrads führen. Dafür hat man beim Tandem den Vorteil, dass das Vorderrad nicht abhebt.
Schwierig sind insbesondere Haarnadelkurven im Anstieg. Wenn man aus der Kurve heraus nicht sehr gefühlvoll antritt, liegt man im Dreck. Auch hier gilt: außen anfahren und dann entschlossen durch. Am Kurvenausgang darf man sich nicht scheuen, mit dem Vorderrad den Rand der Kurve ein deutliches Stück hochzufahren. Die meisten scheuen sich hier, weil dann das Tretlager sehr weit über dem Boden ist und man im Falle eines Falles nur schwer mit dem Fuß auf den Boden kommt. Dennoch ist das oft der einzige Weg.
Wichtig ist, dass der Stoker nicht zu viel Schub gibt, solange der Captain mit schwierigen Lenkmanövern beschäftigt ist. Sobald der Stoker hier Unruhe ins Fahrwerk bringt, ist es vorbei, ebenso, wenn wegen zu viel Vortrieb das Vorderrad seitlich wegrutscht. Daher vor engen Kurven das Kommando "Locker!" und erst dann, wenn das Vorderrad wieder freie Bahn hat "Gas!". Enge Kurven müssen oft geübt werden. Dazu am besten so lange Achter fahren üben, bis das auch auf Forstwegen klappt.
Hingegen sollte man durch Matsch und Laub immer möglichst schnell fahren, weil das Tandem sehr tief einsackt und man sonst sehr schnell stecken bleibt. Der Stoker sollte kräftig Schub geben. Beide Laufräder können dabei recht stark seitlich driften, trotzdem keine zu großen Lenkbewegungen machen.
An steilen technischen Abfahrten besteht auf dem Tandem beim Bremsen nicht die Gefahr, über den Lenker zu gehen. Die Fahrer müssen deshalb ihre Sitzposition nicht so stark nach hinten verlagern wie auf dem Solobike. Das gleiche gilt für größere Stufen und Treppen. Allerdings kann das Tandem beim zu langsamen Überfahren von Stufen mit dem Bauch aufsetzen. Schwierige Stellen zu Fuß erkunden und dann erst fahren.
Schnelle Abfahrten fühlen sich subjektiv sicherer an, weil der große Radstand das Tandem langsamer ausbrechen lässt. Dass muss auch so sein, denn man wird viel schneller als mit dem Solobike. Länge läuft, wie der Segler weiß.
Gutes Profil auf dem Vorderreifen ist wichtig, damit man aus Spurrillen wieder rauskommt. Generell ist eine satte Reifengröße nicht falsch – 2,1 Zoll sind eher die Untergrenze im Gelände. Der Reifendruck muss natürlich etwas höher sein als beim Solobike (Solo 2 bis 3 bar, Tandem ca. 3,5 bis 5 bar). Bei Glatteis können Spikereifen sehr vorteilhaft sein. Am Tandem kommen dafür z.B. der Nokia Extreme 296 oder der Schwalbe Ice-Spiker in Frage. Blanker Asphalt macht den Spikes nichts aus, nur die Rollgeräusche werden sehr laut.
Dank an: Markus Prothmann, Hans-Christoph Timm.