Vittoria Original 1988, als Fixie 2001, Fort-Rahmen 2005, Überholung 2017, 2022
Es war mal ein biederes Hercules/Victoria 3-Gang-Rad (Bild oben links). Das wurde zu einem schaltungslosen Rennrad ohne Freilauf umgebaut (auch "Fixed-Gear" oder "starre Geige" genannt, Bild oben Mitte). Nach 4 Jahren bekam es einen echten Bahnrahmen (Bild oben rechts). Es ist nach wie vor kein Bahnrad, sondern für Straßentraining gedacht.
Nachdem sich in den letzten 4 Jahren die Sache mit dem FixedGear sich als sinnvoll erwiesen hat, konnte ich guten Gewissens in einen vernünftigen Rahmen investieren. Die Wahl viel auf einen Bahnrahmen von Fort, einer tschechischen Firma. Der Track 7005 besteht aus kräftigen Alu-Rohren und einer 1 Zoll-Stahlgabel, in die eine Bremsaufnahme gebohrt wurde. Das Innenlager und Kurbeln kommen von Miche aus Italien. Fast alle anderen Teile wurden übernommen, vor allem die Laufräder, wobei das Hinterrad von 116 auf 120 mm Klemmweite gebracht wurde. Ein Satz neuer GP4000-Reifen mit metallicblauer Lauffläche rundet die Sache optisch ab. Ein Triathlon-Flaschenhalter von Profile hält eine Flasche hinter dem Sattel. Gewicht fahrfertig ist jetzt 8,8 kg.
Das neue fährt (natürlich) viel rennradähnlicher als das alte mit dem viel zu langen Tourenrahmen. Es ist leichter und insgesamt agiler. Der Radstand ist kürzer und die Lenkung direkter. Der Rahmen ist sehr stabil, Verwindungen sind nicht zu bemerken.
Nach einigen Jahren wurden einige Teile ausgetauscht: Eine neue Bahnkette, die erstaunlicherweise viel weniger Geräusche macht als die alte. Ein "vernünftiger" Rennradsattel (Selle Italia Flite) ersetzt den durchgesessenen Billigsattel. Die schönen alten Sachs-Bremshebel sehen zwar nett retro aus, waren eigentlich nie bequem. Sie wurden durch aktuelle Sram-Singlespeed-Hebel ersetzt, dazu eine passende Sram Force-Rennradbremse. Der rechte Hebel wurde mittels einer kleinen Schraube arettiert. Die neuen Hebel fassen sich um Längen bequemer, und die Bremsleistung ist auch deutlich besser. Statt SPD-(MTB-) wurden SPD-SL-Pedale montiert.
Der Lenker war eigentlich schon immer etwas auf der schmalen Seite, der Mittelbereich ziemlich dünn zum Greifen und die Bogenformen nicht mehr mit aktuellen Bremsgriffen kompatibel. Daher wurde jetzt ein neuer Lenker montiert (Pro, 31.8 mm Klemmung, 42 cm M-M, mit durchgehend dickem Mittelteil) und ein neuer 110 mm Vorbau, zuvor der Gabelschaft um einen Zwischenring gekürzt. Das fühlt sich deutlich organischer und komfortabler an, allerdings ist wegen der hohen Tretlager- und Sitzposition der Hebel im Wiegetritt geometriebedingt anders, nämlich kleiner als beim Rennrad. Die Naben wurden neu abgeschmiert, etwas Fett war noch drin. An einer Stelle sah es nach Schwingriss aus, der vom Speichenloch ausgehend wächst, aber im Makrofoto stellte sich dies als Kratzer heraus, also noch kein Grund zum Aufbau neuer Laufräder. Außerdem wurden ein Wahoo-Halter und -Speed-Sensor montiert. Gewicht fahrfertig ist jetzt 8,7 kg.
Was muss man beachten? Das Anhalten und Anfahren ohne Freilauf ist zunächst gewöhnungsbedürftig, weil die Pedalen sich nicht einfach in eine zum Anfahren günstige Position drehen lassen. Man kann im Stand das Hinterrad anheben und dann das Pedal zum Losfahren in die richtige Position bringen. Beim Anfahren muss man je nach Übersetzung ziemlich viel Druck machen, um eine ordentliche Beschleunigung zu erreichen. Man muss lernen, immer (!) mituzutreten - logisch, daher der Name. Das ist im Grunde kein Problem, aber wenn man aus irgendwelchen Gründen unwillkürlich die Beine anhält, hebt es einen sofort aus dem Sattel. Eine etwas vorsichtigere und vorausschauendere Fahrweise als auf einem normalen Rennrad ist durchaus angebracht.
Wie fährt es sich? Ein Fixed-Gear fährt mangels Schaltwerk und idealer Kettenlinie sehr effizient, und man muss außer dem fehlenden Freilauf wenig beachten, weil ja auch nichts weiter dran ist. Auf relativ flachen Strecken ist das Fixed-Gear mindestens genauso schnell wie ein "normales" Rennrad.
Übersetzung Die zunächst gefahrene Übersetzung 46/18 (5,35 m Entfaltung, 29 km/h bei 90er Trittfrequenz) ist relativ kurz, gut für lockeres Training oder für den Stadtverkehr. Die jetzt gefahrenen 46/16 Zähne (6,00 m Entfaltung, knapp 33 km/h bei 90er Trittfrequenz) sind gut für flottes Training bei 30 bis 38 km/h mit nicht zu starken Steigungen. Das ist individuell je nach Leistungsfähigkeit natürlich sehr verschieden. Jeder Fahrer muss den auf seine Strecke und Leistung abgestimmten Gang ketten.
Klickpedale scheinen mir absolut empfehlenswert zu sein am Fixed-Gear! Sie erleichtern das kraftvolle Anfahren deutlich und verhindern, dass man von den Pedalen rutscht, wenn man doch mal eine Dummheit begeht. Auch an Steigungen braucht man die Möglichkeit, am hinteren Pedal zu ziehen, wenn das Körpergewicht allein nicht ausreicht, genügend Drehmoment zu erzeugen.
Wie kann man damit trainieren? Man kann damit auch in Trainingsgruppen mitfahren, vorausgesetzt, es geht nicht wirklich bis an die eigene Leistungsgrenze, weder von der Streckenlänge noch von den Steigungen her. Je flacher und windstiller der Kurs ist, desto näher liegt der fahrbare Schnitt an dem mit einem normalen Rennrad erreichbaren. Beim Anfahren, am Berg und bei Gegenwind muss mehr Kraft aufs Pedal gebracht werden als sonst, ab über 40 km/h hingegen muss man kurbeln wie ein Verrückter, bei 50 Sachen fährt eher das Rad den Reiter als umgekehrt. Letzteres ist eine gute Übung für einen runden Bewegungsablauf. Anfahren und Klettern hingegen sind Krafttraining und ein guter Anlass, den "Wiegetritt" zu kultivieren und effizienter zu gestalten (z.B. die Haltekräfte am Lenker weitgehend zu minimieren und auch im Stehen locker zu fahren). Fazit: Für mich wird das Fixed-Gear wohl die Alternative für den Winter und für kürzere Feierabend-Trainings werden.
Was sagen die Beine und die Knie dazu? Eine Entfaltung von 6 Metern pro Kurbelumdrehung ist schon keine Spielerei mehr. Es empfiehlt sich, im Grunde alle Steigungen, das Anfahren und alle Beschleunigungen aus niedrigerem Tempo im Stehen zu erledigen. Das verringert die Belastung der Knie erheblich. Exzessives Kneten im Sitzen könnte die Knie ernsthaft überlasten! Das Bremsen durch Gegenhalten mit den Beinen, das sog. "Kontern" ist zunächst sehr ungewohnt und scheint mir für die Knie nicht sehr vorteilhaft zu sein. Man sollte das vielleicht so weit beherrschen, dass in den sehr wenigen Situationen, wo die Vorderradbremse allein nicht ausreicht, eine brauchbare Bremsleistung erzielt werden kann.
Warnungen: Der fehlende Freilauf führt zu einigen Eigenheiten eines Fixed-Gears, die bekannt sein sollten:
Was sagen die anderen dazu? So eine Maschine erregt fast soviel Aufmerksamkeit wie ein Tandem. Oft hängen sich Leute in den Windschatten, gucken interessiert und fragen auch, sehr kommunikativ also. An Gefällestrecken kann man niemandem davonfahren, aber an leichten Steigungen haben die Windschattenfahrer Schwierigkeiten, weil man auf dem Fixed-Gear aus dem Sattel gehen und eine einigermaßen hohe Trittfrequenz über den Hügel drücken muss.
Was kann man noch damit machen? Balancieren im Stand - Absteigen nach hinten - Rückwärtsfahren ...