Zuerst das Wesentliche: Das Teil ist einfach schnell. Das geringe Gewicht (gut 14 kg) macht sich beim Beschleunigen, aber auch beim Tragen des Rades positiv bemerkbar. Dank der im Vergleich zum Reisetandem besseren Aerodynamik sind die gefahrenen Geschwindigkeiten etwas höher, allerdings ist der Unterschied kleiner als zwischen einem Solo-Reiserad und einem Rennrad. Wir sind mit dem Renntandem ca. 2 km/h schneller als mit unserem Cannondale-Reisetandem.
Die Verwindungssteifigkeit des Rahmens ist für uns (zusammen 125 kg) und für Straßeneinsatz ohne Gepäck OK. Den verschärften H-C-Timm-Test* würde er allerdings nicht bestehen. Unser Cannondale-Tandem ist erheblich verwindungssteifer dank der dickeren Rohre (schätzungsweise Faktor 2,5). Schwerere Teams sollten auf dickere Rohre bestehen, auch wenn das etwas mehr wiegt. Die Geometrie ist ein wenig merkwürdig: vorne ist die Tretlagerhöhe ca. 26,3 cm, wenn man den Exzenter oben einstellt, hinten 29,5 cm. Das hatten wir nicht weiter spezifiziert, entspricht aber eigentlich genau dem, was ich mir mal selbst überlegt hatte. Susi sitzt dadurch etwas höher und stößt nicht so schnell an meinen Rücken. Cannondale hatte seine frühen Tandems übrigens auch so ausgelegt (Foto).
Die Carbongabel (Stahlschaft, Alu-Krone und sehr dicke Gabelscheiden) ist vom Fahr- und Bremsverhalten her eine gute Wahl, d.h. sie dämpft gut, bockt aber nicht beim Bremsen. Bisher ist noch unbekannt, von wem die eigentlich stammt.
Sämtliche Komponenten wurden von uns selbst zusammengestellt, fallen also nicht in Pedalpowers Verantwortung: Der einseitige Antrieb ist spürbar direkter und verwindungsfreier als der mit Synchronkette links. Außerdem bekommt man beim Schieben und Tragen keine schmierige Kette ab. Mit dem 12-27 9-fach Ritzelpaket können wir hier im Flachland fast ausschließlich auf dem großem Blatt fahren, sehr angenehm. Das Schalten mit den DuraAce-Komponenten (Brems-Schalt-Hebel, Umwerfer und Schaltwerk) ist eine reine Freude. Dank der Präzision der Komponenten und der relativ engen Ritzelstufung kann man auf manche Ansage beim Schalten verzichten.
Die Ultegra-Bremsen mit den roten Koolstop-Pads ziehen sehr gut. Auch aus der Position auf den Bremshebeln kann sicher verzögert werden. Die roten Pads kleben förmlich auf den Felgen und führen zu Quietschen kurz vor dem Stillstand.
Die Laufräder stehen. Auch nach dem Rennen in Hamburg gibt es nichts, was nachzentriert werden müsste. Fazit: Steife Felge (Rigida DP 18) und saubere harte Einspeichung machen die relativ geringe Klemmweite (135 mm) wett. Die 23er Reifen sind für uns (70 + 55 kg Teamgewicht) mit 8 bis 9 bar gut zu fahren. Über 9 bar wird's nur noch bretthart. Eine Testfahrt mit 10,5 bar hat außerdem einen Schlauch auf der Innenseite zerstört. Merke: Nur Schläuche mit länglichen Verstärkungen um das Ventilloch verwenden. Vorn müsste ein 28er Reifen noch durchpassen, hinten vielleicht sogar ein 32er.
Kleine Schlampereien am Rahmen: Die beiden hinteren Flaschenhalter auf dem Lateralrohr sind zu dicht hinternander, so dass in den hinteren nur eine kleine Flasche passt. Ein Flaschenhalter am hinteren Sattelrohr fehlt ganz. Die Bremsaufnahme am Hinterbau ist etwas zu weit oben, so dass die Langlöcher für die Bremsschuhe an den Bremsen mit der Feile verlängert werden mussten. Die Lackierung ist abgesehen vom falschen Farbton etwas unsauber, d.h. es sind kleine weiße Farbspritzer unter den Klarlack geraten. Die Gegenhalter für die Schaltkabel sind am Steuerrohr angelötet statt am Unterrohr. Das ist zwar sehr schön, aber auf der rechten Seite kommt der Gegenhalter beim scharfen Einlenken dem Hebelarm der Bremse etwas ins Gehege. Insgesamt scheint uns das Rahmendesign etwas experimentell und beliebig zu sein. Möglicherweise wird das mit steigender Erfahrung des Herstellers besser.
Ist es preis-wert? Verglichen mit Santana oder Co-Motion ist der jetzige (Ende 2001) Listenpreis von 3850,- DM für Rahmen mit Carbongabel immer noch sehr günstig. Man muss dafür etwas weniger Steifigkeit und kleine Schwächen und Zufälligkeiten bei einigen Rahmen-Details in Kauf nehmen sowie die Ungewissheit bezüglich des Liefertermins. Andererseits sind in dem Preis Sonderwünsche bezüglich Rahmengröße und Design bereits mit drin. Gleiss würde für diesen Preis auch liefern, aber fast 2 kg schwerer sein. Als Schnäppchen würden wir das Pedalpower also nicht bezeichnen, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis ist letztendlich fair.
Fazit: Ein superleichtes, superschnelles Rad mit kleinen konstruktiven Schwächen für relativ leichte Teams.
* H-C-Timm-Test: Feststellung der Torsionssteifigkeit des Rahmens. Stufe 1: Der Captain stellt sich vor seinem Sattel über den Rahmen, der Stoker nimmt auf seinem Sattel Platz und klickt ein. Der Captain kippt nun das Rad samt Stoker von einer Seite zur anderen. Bei flexiblen Rahmen gibt es eine Zeitverzögerung zwischen Krafteinsatz und Kippbewegung des Stokers. Je steifer der Rahmen ist, desto direkter fühlt es sich an. Stufe 2: Das Team fährt schnelle links-rechts-Wechsel, wobei der Captain das Rad aktiv in die Kurven legt. Tandems mit sehr flexiblen Rahmen sind dabei nur schwer zu beherrschen. Besonders MTB-Tandems sollten so torsionssteif wie möglich sein, aber auch Reise- und Renntandems profitieren davon.