Bikes - Das erste Tandem
Baujahr | 1988 |
Hersteller | Schauff |
Modell | "Strassburg" |
Kaufpreis | 1800,- DM |
Gewicht "nackt" | ca. 22 kg (49 lbs) |
mit Straßenausstattung | ca. 25 kg (55 lbs) |
Rahmenhöhen | 56/42 cm |
Oberrohrlängen | 55/60 cm |
Radstand | 165 cm |
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Wie bei so vielen Pärchen, die zusammen Rad fahren, reifte bei uns recht schnell der Gedanke, dass man längere Touren freudvoller gestalten könnte, wenn nicht immer einer hechelt und einer wartet. Also musste ein Tandem her. Wir waren allerdings noch nie vorher Tandem gefahren und waren noch sehr blauäugig, was die Technik betrifft. Das war 1988, und es war gar nicht so einfach, im vermeintlich so großen Berlin (damals noch das eingemauerte West-Berlin) einen kompetenten Händler zu finden. Wir haben keinen einzigen gefunden, der Tandems da hatte. Und mehr als 2000,- wollten und konnten wir damals nicht ausgeben. Aber einer in unserer Nähe hatte einen hübschen Prospekt von Schauff (s. nächstes Bild), einer deutschen Firma, die auch verschiedene Tandems herstellt. Wir entschieden uns für das damalige Modell "Straßburg". Die Lieferzeit betrug ca. 10 Wochen, was uns schon ein wenig in Bedrängnis brachte, da der Sommerurlaub nicht mehr so weit entfernt war, auf dem wir das Rad erstmals mit vollem Gepäck fahren wollten. Und der erste Rahmen hatte ein ausgerissenes Tretlagergewinde und musste gleich wieder ersetzt werden, was aber nicht mehr so lange dauerte.
Wir hatten in 11 Jahren, die wir damit gefahren sind, viel Spaß mit dem Rad, obwohl nach und nach alle wichtigen Teile ausgetauscht werden mussten (Naben, Tretlager, Bremsen, Sättel, u.v.m.). Eigentlich war an dem Rad nichts wirklich hochwertig, was uns aus heutiger Sicht nicht wundert. Mit der Zeit haben wir ca. 2500,- in das Rad investiert, also mehr als den Grundpreis. Schlussfolgerung: Billigtandems lohnen sich nicht, jedenfalls nicht, wenn man wirklich damit fährt. Ein paar Beispiele:
- Die Sättel waren für längere Fahrten ungeeignet, so dass wir gefederte Brooks-Sättel installiert haben (würde ich heute allerdings nicht mehr tun, lieber bequeme Rennradsättel).
- Die nach hinten gebogenen Lenker machen ein relativ kurzes Tandem (Radstand 165 cm) noch kürzer. Umgekehrt wird ein Schuh draus, so dass wir gerade MTB-Lenker mit Hörnchen einbauten.
- Irgendwann 1991 ließen wir in den hinteren Rahmenteil, der praktisch ein Mixte-Rahmen war, zur Verstärkung ein richtiges Oberrohr einbauen. Diese Arbeit hat der Rahmenbauer Leto hier in Berlin ausgeführt. Er hat dafür zwei dünne Rohre direkt nebeneinander gelegt. Überhaupt ist das Stoker-Abteil ein wenig kurz. Der Tretlagerabstand ist ca. 55 cm. Dafür ist das hintere Sattelroht um das Hinterrad gebogen, so dass die Oberrohrlänge des Stokers 60 cm beträgt (Radstand: 165 cm). Zum Vergleich: Unser Cannondale hat hinten 70 cm Oberrohrlänge, was einer etwas sportlicheren Sitzposition des Stokers entgegenkommt.
- Auf unserer Mecklenburg-Tour 1991 hatten wir kurz nach Verlassen einer Stadt so ein komisch wabbeliges Gefühl beim Treten. Die Hinterachse war gebrochen, und zwar auf der linken Seite. Wir waren noch so nah an der Stadt dran, dass wir zurückschieben konnten. Es gab zwei Fahrradläden: Der erste hatte Hausfrauenniveau und konnte (wollte?) uns nicht helfen. Beim zweiten sagte man uns "Lasst das Rad und das Gepäck hier und kommt in einer Stunde wieder." Nach einem Stadtbummel hatte man tatsächlich eine neue Achse eingebaut und wir konnten unsere Reise fortsetzen, sehr positiv. Zurück zu Hause bestellten wir ein vernünftiges Hinterrad (immerhin 600,- DM damals): Suzue-Nabe mit Schraubkranz (Shimano 600 6-fach, 14-17-20-24-28-34 Zähne), 48 Loch, Tandemfelge von Sun und eine Arai-Trommelbremse. Diese Nabe ist völlig symmetrisch und das Rad hält bis heute, nachdem ich die Speichen auf die nötge Spannung gebracht hatte. Der Laden, immerhin war das Zentralrad, hatte zu weich eingespeicht, so dass sich immer wieder die Speichen lösten.
- Die Vordernabe (mit Trommelbremse) war auch nicht doll. Eine Deore XT-Nabe wurde in die alte Felge eingespeicht. Dies war das erste Laufrad, das ich eigenhändig eingespeicht habe. Das Speichenmuster habe ich von einem anderen Rad abgeschaut. War mühsam, hält aber auch bis heute. An beiden alten Laufrädern waren in den ersten Jahren einzelne Speichen gebrochen. Seit ich selbst einspeiche, haben wir keine Probleme mehr mit den Speichen.
- Die Tretlager, einfache Konuslager, lockerten sich ständig wieder. Schließlich ließen wir vorne ein Patronenlager von Shimano und hinten ein doppelreihiges Lager von Mavic einbauen, seitdem ist auch auf diesem Gebiet Ruhe.
- Die Bremsen waren allesamt nicht tandemtauglich. Schauff warb damals damit, dass das Rad vier Bremsen hat (zwei Cantilever und zwei Trommelbremsen) und deshalb besonders sicher sei. So ein Quatsch (Vorsicht, die werben selbst heute noch damit!). Die Trommelbremsen konnte man vergessen und mit den Cantilevers war's auch nicht viel besser bestellt. Mit den neuen Naben waren die alten Trommelbremsen schonmal entsorgt. Hinten bauten wir eine selbstverstärkende Suntour/Pederson-Cantilever ein, war zwar teuer, aber nur etwas besser. Heute ist eine V-Brake drin. Vorne griff ich zum Selbstbau: Die Cantileverdreiecke wurden mit längeren Armen ausgestattet, d.h. es wurden Alu-Stücke mit selbstgefeilten Kabelaufnahmen angeschraubt. Der Hebelarm wurde dadurch fast doppelt so lang. Diese Bremse zieht genauso gut wie eine V-Brake, wird aber mit einem alten Hebel betätigt und quietscht nicht. Die Hebel waren von welche von Weinmann, bei denen recht oft die Kabelenden aus den birnenförmigen Enden ausrissen. Jetzt sind welche aus der alten Shimano Deore-Gruppe dran.
- Auf dem sehr holperigen Radweg von Warnemünde nach Rostock (vorbei auch an Rostock-Lichtenhagen, recht deprimierende Gegend, zumindest damals) brach 1993 der hintere Gepäckträger an der unteren Abstützung, da wo der Aludraht flach gequetscht ist. Das kann wahrscheinlich mit jedem normalen Alu-Träger passieren.
- Im Frühjahr 1998 erlitt das Rad einen Rahmenbruch an der Muffe zwischen Steuerrohr und Oberrohr (nach Augenschein ein typischer Ermüdungsbruch). Für den anstehenden Sommerurlaub ließen wir erstmal bei einem Rahmenbauer das Oberrohr austauschen, keine Probleme weiter. Aber es war klar, dass irgendwann ein neus Rad hermusste. Das führte schließlich zu unserem neuen Tandem. Das alte fahren nun meine Schwester und ihr Mann.
- Das Rad wog zum Schluss ca. 25 kg ohne Schloss, aber das ist noch OK.
Aber es gibt auch ein paar Punkte, die gut sind:
- Den Kurbelsatz von Stronglight finden wir nach wie vor sehr elegant. Alle Kettenblätter haben denselben Lochkreisdurchmesser. Die Kettenblätter im Hauptantrieb (34/45/53 Zähne) haben wir nie ersetzen müssen (ca. 10.000 km). Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass das Tandem meistens auf Touren gleichmäßig getreten wurde und wir nach dem Anfahren praktisch immer das große Kettenblatt mit 53 Zähnen benutzt haben. Die Synchronkette hat allerdings bloß Kettenblätter mit 28 Zähnen, die recht schnell verschleißen. Unser neues Tandem hat praktisch den gleichen Kurbelsatz erhalten, aber mit 38 Zähnen auf der Synchronkette.
- Die Originalfelgen waren Mavic Modul 2 (oder so), das sind recht breite Hohlkammerfelgen.
- Der simple Daumenschalthebel für den vorderen Umwerfer ist meiner Ansicht nach das beste, was es gab (und leider nicht mehr gibt, oder?). Keine Rasterung, keine Probleme. Hinten ist es allerdings etwas Gefummel ohne Rasterung.
- Und schnell sind Tandems immer. Auch mit diesem Teil haben wir viele bunte Rennradler überholt ...
© D. Bettge; 21.3.2000, letzte Änderung: 14.5.2002