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Technik - Bremsen - Leistung


Bild 1: Passsabfahrt und die möglichen Folgen (Fotos: R. Füchsle/C. Amoser)

Unter welchen Bedingungen ist es sinnvoll, am Tandem eine ditte Bremse, eine sogenannte Schleppbremse, zu haben? Ist es wirklich nötig, das zusätzliche Gewicht durch die Gegend zu schleppen? Diese Frage soll hier anhand einiger Zahlen beleuchtet werden. Dabei gilt mein Dank Matthias Diemer, der die meisten Berechnungen beigesteuert hat. Es werden folgende Werte angenommen:

Es wird nun berechnet, welche Bremsleistung nötig ist, um das jeweilige Rad bei einem bestimmten Gefälle auf Dauer bei einer bestimmten Geschwindigkeit zu halten. Außerdem wird abgeschätzt, welche Leistung die beiden Felgenbremsen durch Luftkühlung abführen können, wenn die Temperaturdifferenz 80 Grad (20 Grad Luft und 100 Grad Felge) nicht übersteigen soll. Die Ergebnisse sind in den Graphiken in Bild 2 zusammengestellt.


Bild 2: Bremsleistungen, die bei einem bestimmten Gefälle nötig sind, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten. In violett eine Schätzung der Dauerbremsleistung von zwei Felgenbremsen.

Was bedeuten die Kurven?

Die Kurven für die benötigten Bremsleistungen beginnen jeweils im Nullpunkt des Diagramms, d.h. wenn man sehr langsam den Berg runterbremst, kann man die Bremsleistung sehr klein halten. Dann steigt die benötigte Bremsleistung erst stark an, bis der Luftwiderstand schließlich anfängt, einen nennenswerten Teil davon zu übernehmen. Der Luftwiderstand wird mit zunehmender Geschwindigkeit immer größer, so dass die an den Bremsen anfallende Leistung nach dem Erreichen eines Maximums wieder sinkt. Schließlich halten sich Hangabtrieb und Luftwiderstand die Waage und die Bremsleistung ist Null: die Höchstgeschwingkeit ist erreicht und das Tandem rollt ungebremst. Die Geschwindigkeit lässt sich natürlich durch kräftiges Treten weiter steigern, aber das ist ein anderes Thema. Die lila Kurven schließlich schätzen ab, welche Bremsleistung zwei Felgenbremsen auf Dauer verdauen können, ohne das die Reifen platzen. Im Stand findet schon eine gewisse Kühlung durch Konvektion statt. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit steigt der Wärmefluss dann fast linear mit der Geschwindigkeit.

Was schließen wir daraus?

Bei 5 % Gefälle ist alles noch vergleichsweise harmlos, wobei schon auffällt, dass das Tandem ca. 10 km/h schneller wird als die Solos. In allen Fällen, wo die erforderlichen Bremsleistungen unter den lila Kurven für die Leistungsfähigkeit der Felgenbremsen liegen, ist Dauerbremsen bei den jeweiligen Bedingungen möglich. Ist dies nicht der Fall, so muss bei einer langen Abfahrt eine zusätzliche Bremse benutzt werden, die in der Lage ist, die restliche Leistung abzuführen. Der Schnittpunkt der lila Kurve mit den anderen Kurven gibt an, bis auf welche Geschwindigkeit herunter mit den Felgenbremsen dauergebremst werden kann, wenn die Felgen nicht überhitzt werden sollen.

Bei 5 % Gefälle ist also noch alles im grünen Bereich, auch beim Tandem. Die maximalen Bremsleistungen können von normalen Felgenbremsen ohne Probleme erbracht werden. Aber bei 10 % wird es doch schon sehr heftig: Das Tandem erreicht ungebremst eine Geschwindigkeit von 90 km/h, was nicht jedermanns Sache ist. Wenn jetzt eine niedrigere Geschwindigkeit gehalten werden soll, werden sehr hohe Bremsleistungen nötig, besonders im Bereich von ca. 40 bis 60 km/h, was ausgerechnet die Geschwindigkeiten sind, die normalerweise fahrbar sind auf leicht kurvigen Straßen. Die erforderlichen über 1200 W können Felgen bis zum Reifenplatzer aufheizen und Scheibenbremsen leckschlagen lassen.

Fazit

Fassen wir es als Faustregel zusammen. Bei mehr als ca. 8 % Gefälle und mehr als ca. 1 km Dauerbremsen können die Felgenbremsen eines Tandems überfordert sein. Wer keine zusätzliche Bremse mitführt, hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder möglichst ungebremst runterrasen (Bremsen durch Luftwiderstand) oder runterschleichen (Verteilen der Bremsenergie auf einen langen Zeitraum). Wenn man erstmal den Point-of-no-return erreicht hat, d.h. die Felgen stark aufgeheizt sind, kann es kritisch werden, es sei denn, man hat eben eine Schleppbremse, die in der Lage ist, eine hohe Leistung auf Dauer zu verdauen. Interessant ist, dass die Leistungen bei den Solos bei 10 % Gefälle von normalen Bremsen erbracht werden können. Das zeigt m.E., dass praktisch alle Fahrradbremsen nicht für Tandems dimensioniert sind. Das gilt auch für die meisten Scheibenbremsen, die laut Tests so um die 800 W verdauen können.

Hinweis: Dies alles sagt nichts aus über kurzzeitige Schnellbremsungen, die - gute Bremsen vorausgesetzt - immer möglich sind (s. nächster Absatz), auch bei starkem Gefälle! Eine Bremsung mit maximaler Verzögerung aus 60 km/h heizt die Vorderradfelge des 160 kg-Tandems um ca. 35 Grad auf. Im Gefälle gilt dabei, dass diese Temperaturdifferenz umso kleiner ist, je härter die Bremsung ist, weil dann während der Bremsung weniger potentielle Energie (Höhendifferenz) umgewandelt wird. Das gibt einen Hinweis darauf, wie man am schnellsten eine steile Abfahrt mit einzelnen engen Kurven hinunterkommt: Rollen lassen und jeweils vor der Kurve kurz aber hart runterbremsen. Das funktioniert aber nur, wenn zwischen den Kurven ausreichend Zeit bleibt, dass die Felgen wieder abkühlen könen.

Bremskraft und Bremsleistung - bitte nicht verwechseln!

Bremskraft und Bremsleistung werden oft gleichgesetzt. Das ist aber physikalisch falsch und deshalb irreführend. Die Bremskraft ist die Kraft zwischen Reifen und Straße entgegengesetzt parallel zur Fahrtrichtung. Die Bremsleistung ist gleich der Bremskraft multipliziert mit der Geschwindigkeit. Und die Bremsenergie (sprich die abzuführende Wärme) ist die Bremsleistung multipliziert mit der Zeit.


Bild 3: Vergleich der Verläufe von Bremskraft und Bremsleistung.

Die rote Kurve in Bild 3 zeigt die Bremsleistung, die kontinuierlich verkraftet werden muss, um die jeweilige Geschwindigkeit zu halten (Tandem auf 10 % Gefälle). Die zugehörige Bremskraft hingegen (blaue Kurve) ist umso größer, je niedriger die Geschwindigkeit (und damit der Luftwiderstand) ist. Sie ist also maximal bei 0 km/h (bei 10 % Gefälle ca. 10 % der Gewichtskraft des Rades samt Fahrern) und sinkt bis auf Null bei der ungebremsten Höchstgeschwindigkeit. Es sind also nur kleine Bremskräfte nötig, um bei einer hohen Geschwindigkeit eine hohe Leistung abzuführen. Dies ist auch der Grund, warum die Arai-Trommelbremse eine hervorragende Schleppbremse ist, obwohl sie als Primärbremse nicht taugt: Ihre maximale Bremskraft ist nicht besonders hoch; sie reicht gerade, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten, aber nicht, um hohe Verzögerungswerte zu erzielen; aber sie verträgt eine sehr hohe Dauerleistung. Gute Primärbremsen müssen Bremskräfte erzielen, die ca. 10-mal so hoch sind wie die in Bild 3. Mit ihnen lässt sich ein Tandem - trockene Fahrbahn vorausgesetzt - immer zum Stehen bringen, egal wie steil es ist.

Weitere Literatur


© D. Bettge; 11.10.2000, letzte Änderung: 8.1.2004