Reifen sind zu einem guten Teil Geschmackssache. Die Anforderungen bezüglich Gesamtgewicht und Einsatzart können sehr verschieden sein. Da ist zuallererst die Komfortfrage. Ein leichtes Team, das mit dem Tandem auf der Straße trainiert, wird mit 25 mm Reifenbreite zufrieden sein. Wer schwerer ist und es gemütlich liebt, braucht ein 26-Zoll-Tandem und kann dann breite MTB-Reifen aufziehen. Besonders bei hohen Gewichten sollten die Felgen zu den Reifen passen. Es ist also recht schwierig, etwas Konkretes zu empfehlen. Versuchen wir es trotzdem.
[Reifenbreite] [Reifendruck] [Felgenbreite] [Profil] [Zusammenfassung/Empfehlungen] [Literatur]
Die Reifenbreite sollte generell immer etwas größer sein, als auf dem Solo-Rad bevorzugt wird, also statt 32 mm am Solo dann 35 oder 37 mm am Tandem. Ein Tandem ist nunmal schwerer als ein Solo, und es ist nicht sinnvoll, das zu ignorieren. Es kann hilfreich sein, hinten einen breiteren Reifen zu fahren als vorne, weil der Stoker wegen seiner Position fast direkt über dem Hinterrad alle Stöße ungefähr doppelt so stark spürt wie der Captain. Wenn der Captain komfortabel fährt, tut der Stoker das noch lange nicht. Abhilfe kann auch eine gefederte Sattelstütze schaffen, das ist allerdings Geschmacksache. Die realen Reifenbreiten stimmen selten mit den Herstellerangaben überein. Die meisten Reifen erweisen sich in der Realität als schmaler. Leider ist es schwierig über die realen Dimensionen von Reifen vorab Angaben zu bekommen.
Reifendruck: Man sollte immer im Vergleich zum Solorad hart aufpumpen, damit man nicht durchschlägt und damit die Seitenwände der Reifen nicht durch zu starkes Durchwalken beschädigt werden. Je höher das Gesamtgewicht ist, desto größer muss natürlich auch der Reifendruck sein. Im Prinzip müsste man den Reifendruck proportional zum Gewicht steigern. Praktisch kann man etwas unterhalb dieser Marke bleiben. Trotzdem bedeutet das am Tandem meistens, dass man bis zum vom Hersteller empfohlenen Maximaldruck gehen muss, wenn nicht darüber hinaus. Ein Reifendruck etwas über dem empfohlenen scheint unkritisch zu sein, also z.B. 6 bar statt 5 bar auf einem 37 mm-Reifen, muss aber jeder auf eigene Gefahr ausprobieren. Manche Teams gehen bis 50 % über die Herstellerangabe. Ein Problem können dabei die Felgen sein: Zu leichtgewichtige Felgen, insbesondere solche, bei denen die Wandstärke am Felgenhorn zu gering ist, können unter sehr hohem Druck ganz einfach platzen. Auch das Felgenband muss einiges aushalten, insbesondere bei Renntandems. Doppelt geklebtes Textilband ist eine gute Idee.
Hier finden Sie eine Tabelle zum Berechnen sinvoller Reifendrücke aufgrund von Vergleichen von Achslasten und Tragfähigkeiten.
Geschätzte optimale Reifendrücke (nach: Precision Tandems).
Das vorstehende Diagramm (nach einem Beitrag auf Precision Tandems) ist sehr interessant, zeigt es doch, dass sehr schmale Reifen mit extrem hohem Druck gefahren werden müssen, wenn sie nicht überlastet werden sollen. Die Aussagekraft der Extrapolation auf hohe Gewichte ist allerdings unklar. Ein wenig entschärft wird die Lage am Tandem immerhin dadurch, dass die Gewichtsverteilung meist gleichmäßiger ist als am Solorad. 23er Reifen können z.B. am Renntandem gefahren werden, wenn der Druck hoch genug ist. Wir selbst kommen am Renntandem mit ca. 8 bis 9 bar Druck bei 140 kg Gesamtgewicht gut klar, allerdings ist die Durchschlagsicherheit bei Schlaglöchern und Kanten sehr gering, d.h. man muss die Straße vor sich gut beobachten und vorausschauend fahren. Je nach Teamgewicht sollten am Renntandem besser 25er oder 28er Reifen gefahren werden. Mit Gepäck geht es sinnvoll erst bei 32 mm Reifenbreite los. Alle Zahlen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen. Auf relativ glattem Untergrund können geringere Drücke ausreichend sein, im Gelände führt die Forderung nach Durchschlagfestigkeit zu höheren als den angegebenen Werten. Generell ist bei hohen Gesamtgewichten immer das Problem, dass es offiziell gar keine Reifen gibt, die einen ausreichend hohen Druck vertragen.
Felgenbreite: Fahrt keine Felgen, die für den verwendeten Reifen viel zu schmal sind! Im Prinzip passt zwar jeder Reifen auf eine Felge, solange deren Außendurchmesser stimmt (z.B. 559 mm oder 622 mm). Besonders im MTB-Bereich ist es aus Gewichtsgründen üblich, breite Reifen auf schmale Felgen zu ziehen. Dieses Vorgehen ist nicht tandemtauglich. Zu schmale Felgen belasten den Reifen unnötig, weil die Seitenwand beim Fahren stark durchgewalkt wird. Zu breite Felgen sind da unkritischer, kann aber sein, dass man an Kanten oder auf grobem Kopfsteinpflaster dann mit der Felge aufsetzt. Je schwerer die Fuhre ist, desto besser muss also die Felge auf den Reifen abgestimmt sein. Die höchste Tragfähigkeit ergibt sich, wenn die Felge fast genauso breit ist wie der darauf aufgezogene Reifen. Mehr zum Thema z.B. auf tandem-fahren.de.
Profil ist auf Asphalt überflüssig. Bei Nässe hilft Reifenprofil absolut gar nichts. Viele Leute glauben das aber, weshalb die meisten Reifen überflüssigerweise mehr oder weniger stark profiliert sind. Profil nützt nur etwas, wenn die befahrene Oberfläche weicher ist als der Reifen, also auf Waldwegen oder auf Schnee. Ein Plus von profillosen Reifen ist, dass sie sich in Kurven neutral verhalten, also nicht quietschen oder gar wandern. Und der Rollwiderstand ist geringer. (Beim Auto braucht man ein starkes Profil, weil wegen der großen Reifenbreite Aquaplaning auftreten kann. Beim Fahrrad ist der Reifendruck und damit auch der Druck in der Aufstandsfläche zwischen Straße und Reifen höher als beim Auto, und weil der Reifen schmaler und rund ist, kann das Wasser zusätzlich noch schneller weg. Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit, bei der Aquaplaning auftreten würde, erheblich höher (!) liegt als beim Auto, also nie erreicht wird.) Im Geländeeinsatz hingegen ist ein kräftiges Stollenprofil fast immer sehr hilfreich, um genug Traktion zu haben.
Spikereifen: Bei Glatteis und auf hartem Schnee können Spikereifen das Vertrauen in den Untergrund enorm steigern. Tandemtaugliche Spikes in 26 Zoll gibt es z.B. von Nokia (Extreme 296, Hakka WXC300) und Schwalbe (Ice-Spiker). Alle genannten Reifen haben 4 Reihen Spikes. Der Extreme 296 ist sehr robust und taugt definitiv fürs Tandem. Die Seitenwände sind nicht zu dick, d.h. er rollt gut, und er wiegt gut 900 g. Der WXC300 ist faltbar und leichter, hat aber eine weichere Gummimischung. Der Ice-Spker ist sicher einfacher zu bekommen, es gibt bisher aber wie vom WXC300 keine Tandem-Testberichte. Die "Spikes" sind keine spitzen Nägel, wie der eigentlich falsche Name vermuten lässt, sondern flache Stifte, die ca. 2 mm weit aus den Stollen stehen. Diese Stifte bestehen zumindest beim Extreme 296 aus einer Stahl-Hülse und einem Hartmetallkern, der auch auf Asphalt praktisch nicht verschleißt. Der WXC300 hat Alu-Hülsen. Die deutsche Straßenverkehrs-Zulassungsordnung StVZO sagt nichts speziell über Fahrradreifen (sie sagt bezüglich Fahrrad nur etwas über Bremsen, §65, und über Beleuchtung, §67). Fahrradreifen unterliegen laut §63 nur entspechend §36.1. Dort steht u.a.: "Reifen oder andere Laufflächen dürfen keine Unebenheiten haben, die eine feste Fahrbahn beschädigen können". Dies ist bei Fahrrad-Spikes nicht der Fall. Alle weiteren Regelungen zum Reifenprofil gelten nicht für Fahrräder. | MTB-Spikereifen (Nokia) |
Empfehlungen: Wagen wir wenigstens ein paar Empfehlungen. Diese Empfehlungen können nicht genau sein. Die Gewichtsverteilung vorne/hinten spielt eine Rolle, der subjektive Eindruck und die Straßenverhältnisse. Breiter geht immer, schmaler nur sehr begrenzt. Die Reifenbreiten in der Tabelle sind also eher als Untergrenze aufzufassen.
Gesamtgewicht | Reifenbreite/Druck | Beispiel, Gewicht, max. Nenndruck |
Renntandem 28" | ||
bis 140 kg | 23mm/8 bis 10 bar | Vittoria Open Corsa, 230 g, 12 bar |
um 140 kg | 25mm/8 bis 10 bar | Conti GP 3000, 230 g, 8 bar |
über 140 kg | 28mm/8 bis 9 bar | Conti Gator Skin, 300 g, 8 bar |
Tourentandem 28", schmale Reifen | ||
140 kg | 32mm/7 bar | Panaracer Pasela Tourguard, 330 g, 6.5 bar |
170 kg | 35mm/6 bar | Panaracer Pasela Tourguard, 400 g, 5.5 bar |
200 kg | 37mm/6 bar | Schwalbe Marathon, 610 g, 6 bar |
250 kg | 47mm/6 bar | Schwalbe Marathon XR, 830 g, 5 bar |
Tourentandem 26", komfortable Reifen | ||
--- | 47-62mm/ausprobieren | |
MTB-Tandem 26" | ||
um 140 kg | 54mm/4 bar | |
um 180 kg | 62mm/5 bar |
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